Kleine Schritte – große Chancen

2009: Marokko - Ein afrikanisches Flüchtlingsprojekt in Rabat / Marokko

Kleine Schritte – große Chancen

Die evangelische Kirche von Marokko ist 100 Jahre alt. Sie hat 11 Gemeinden und ist die einzige protestantische Kirche, die in Marokko staatlich zugelassen ist. Ihr Diakonieausschuss ist verantwortlich für die Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten. In Zusammenarbeit u.a. mit der Katholischen Kirche verfolgt die Eglise Evangelique au Maroc verschiedene Projekte, die die Situation tausender in Marokko gestrandeter Flüchtlinge im Blick haben. Deren Zahl nimmt stetig zu, sie stammen aus den schwarzafrikanischen Ländern der Subsahara und flüchten vor Krieg und Bürgerkrieg, vor der Verfolgung krimineller Banden, vor Korruption und unsagbarer Armut und Chancenlosigkeit, vor der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen, nicht zuletzt verursacht durch den Raub der Ressourcen durch den Norden unserer Welt. Diese Flüchtlinge machen sich per Lastwagen oder zu Fuß auf den Weg und sind oft zwei bis drei Jahre unterwegs. Ohne Geld, krank, schwer traumatisiert – die meisten Frauen werden auf der Flucht mehrfach vergewaltigt – folgen sie den Stromleitungen, um in die Städte zu gelangen. Wenn sie nicht schon vorher von Grenzschutzbeamten und Polizisten aufgegriffen werden, landen sie in Marokko und sitzen dort fest. Der Weg nach Europa ist ihnen von tausenden Grenzbeamten, wesentlich von der EU finanziert, und von martialischen Grenzbefestigungen versperrt. Auch der Weg zurück ist unmöglich, wegen fehlender Papiere, wegen Geldmangels und wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes. Ihr Status in Marokko ist illegal, aufgegriffen bei Razzien werden sie in Bussen über die geschlossene Grenze in die Wüste Algeriens ausgesetzt, „versorgt“ mit Wasser und Brot, von ihrem Hab und Gut bleibt ihnen lediglich die Kleidung auf dem Leib.

Die einzigen Institutionen, die sich dieser Menschen annehmen, sind die Katholische und Evangelische Kirche, sowie „Ärzte ohne Grenzen“ (2007 wurden mehr als 2500 Kugeln aus Beinen von Flüchtlingen herausoperiert). Ein funktionierendes Netzwerk, auf das die Flüchtlinge zurückgreifen könnten, existiert nicht, im Gegenteil: in Marokko ist es verboten, illegale Flüchtlinge zu unterstützen. Mittlerweile wird die Arbeit der Kirchen schweigend toleriert. Besonders schmerzhaft für die muslimischen Flüchtlinge ist die Tatsache, dass ihre Glaubenbrüder in den Moscheen nichts von ihnen wissen wollen.

So ist die Projektarbeit der christlichen Kirchen vor Ort geprägt von mehreren Problemebenen, die ineinander greifen und oft gegenseitig verstärken: die Frage des Nord – Südgefälles, die geografische Lage Marokkos an der Bruchkante zu Europa, die Achse zwischen Orient – Okzident, das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen, die schwierige Situation christlichen Zeugnisses mitten in einer muslimisch geprägten Welt, die ungeheuren Anforderungen der konkreten diakonischen Arbeit im Alltag.

Aktuell teilt sich die Arbeit des Flüchtlingsprojektes in mehrere Bereiche: neben einem Dattelaufforstungsprogramm in den Oasen, neben einem Bildungs – und Stipendiatenprogramm, neben einem Notprogramm, das für unmittelbare Hilfe sorgt (Unterkunft, Kleidung, Nahrung, Medizin, Passverlängerung, seelsorgerische Betreuung etc) zielt die Arbeit des Flüchtlingsprojektes auf eine Form der Hilfe, die in diesem Jahr durch die Martinusaktion unterstützt werden soll:

Es handelt sich um so genannte Mikroprojekte, die die aussichtslose Lage der Flüchtlinge erträglicher machen, ihnen – neben einem finanziellen Ertrag – vor allem Hoffnung und Menschenwürde zurückgeben. Der Mangel an Arbeitsplätzen für Flüchtlinge und Migranten erlaubt ihnen nicht, für ihren Unterhalt selbst zu sorgen. Das verstärkt die Hoffnungs – und Ausweglosigkeit ihrer Lage. Die Mikroprojekte sorgen für kleine selbständige Jobs, die den Flüchtligen helfen, eine Perspektive und etwas Selbständigkeit zurückzugewinnen. Mit 50 bis 80 € ist es möglich, kleine Tätigkeiten einzurichten: sei es als Friseur, Schuhmacher, Maler, Installateur, Musiker, Schneider, Bäcker, Fischverkäufer, Kellner, in vielen handwerklichen Bereichen und ähnlichem. Auch wenn die Flüchtlinge offiziell nicht arbeiten dürfen, so bleibt ihnen der in Marokko verbreitete Schwarzmarkt und vor allem auch ihre eigene Kommunität als Absatzmöglichkeit. Auf diese Weise gewinnen sie eine finanzielle Basis für Nahrung, Kleidung und Unterkunft, vor allem aber Hoffnung, Würde und ein Stück Kontrolle über ihr eigenes Leben zurück. Wohlverstanden: die Flüchtlinge wollen nicht in Marokko bleiben, müssen sich aber in einem Provisorium einrichten, das oft Jahre dauert.

Viele Kirchen aus vielen Ländern fördern die Arbeit der Evangelischen Kirche in Marokko, eine Verbindung von Entwicklungs – und Flüchtlingsarbeit als Hilfe zur Selbsthilfe. Sicher gibt es in Afrika Menschen, die unter denselben elenden Verhältnissen leben müssen wie die Flüchtlinge in Marokko. Letzteren jedoch wird ihre Zwangslage zusätzlich dadurch erschwert, dass sie in einem ihnen völlig unbekannten Umfeld leben müssen und dauernden Repressalien ausgesetzt sind. Die Martinusaktion 2009 möchte mit ihrer Projektarbeit und ihrem Erlös die Mikroprojekte der Eglise Evangelique au Maroc unterstützen, und – im Sinne des Heiligen Martin – die Arbeit der kirchlichen Partner vor Ort als eine Herausforderung unseres Glaubens und des gemeinsamen Menschseins verstehen und begreifen. Über den Kirchenkreis Jülich und dessen Gewährsleute hält die Martinusaktion Aldenhoven e.V. unmittelbaren Kontakt zum Projektpartner in Marokko.